1 - Einleitung

Von Halle nach Sparta - mehr als ein Vierteljahrhundert

Ὦ ξεῖν᾿, ἀγγέλλειν Λακεδαιμονίοις ὅτι τῇδε κείμεθα τοῖς κείνων ῥήμασι πειθόμενοι.

„Wanderer, kommst du nach Sparta, verkündige dorten, du habest

Uns hier liegen gesehn, wie das Gesetz es befahl.“

Es war Anfang der 80er Jahre, als mich das Lauffieber befiel. Die Krankheit hatte zunächst schleichenden Verlauf. Es war ein Selbstversuch, als ich mich erstmals auf die Socken machte. Bis dahin eher ein grobmotorischer Antisportler (auch heute beherrsche ich nichts anderes als stur geradeaus laufen, das aber stundenlang) fand ich im ausdauernden Laufen etwas, was mir zu liegen schien. Und so ging es weiter und weiter. Standen am Anfang Volksläufe zwischen 5 und 10 km und die obligatorischen 3000 m auf der Bahn im Schulsport im Vordergrund, reizte mich bald mehr. Noch im ersten Jahr meiner neuen Leidenschaft beschloss ich eines Nachmittags, 4 Heidelaufrunden je 10 km und ein bisschen mehr am Stück, mithin meinen ersten Marathon, durchzulaufen. Mit vietnamesischen Stoffturnschuhen und null Verpflegung. Nach 4,5 Stunden hängte ich mich anschließend mehr tot als lebendig an die erstbeste Wasserleitung in einem Halle-Neustädter Vorgarten…

Die Lauferei wurde ambitioniert weiter gepflegt – an der halleschen Latina hieß ich deshalb bald „Knut Meilenstiefel“ – und trotzdem gab es noch so vieles andere. So plagten wir uns in jenen Tagen mit Latein und Griechisch und tauchten dabei ein Stück ein in die Welt der Antike. Da hörte ich nicht nur erstmals von den Perserkriegen, Athen und Sparta – garniert mit vorangestelltem Vers – sondern, dank unseres sportbegeisterten Lateinpaukers, auch etwas über die Hintergründe des historischen Marathonlaufes. Aber von noch erstaunlicheren Dingen war die Rede. Nicht nur der Lauf des Siegesboten von Marathon nach Athen ist historisch verbürgt: Der alte Grieche Herodot berichtet von einem Boten namens Pheidippides, welcher sich um 490 v. Chr. von Athen nach Sparta auf den Weg machte, um Hilfe gegen die Perser zu erbitten – 250 km in 36 Stunden. Und mein Lehrer hatte einen seiner unzähligen Zeitungsausschnitte, welche er begeistert sammelte, dabei. Dort wurde nun von der Wiederbelebung dieses Laufes berichtet, dem Spartathlon. Doch nicht nur sportlich, auch politisch war eine Teilnahme an einem solchen Rennen in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre völlig unvorstellbar.

Wenige Jahre später, ich lief immer noch und inzwischen auch Marathon, war eine Reise nach Griechenland nicht mehr utopisch. 1990 bereiste ich erstmals das Land der Hellenen und konnte mir nun alle einige der sagenhaften Stätten anschauen, welche ich bis dahin nur von Bildern kannte. Ein unglaubliches Gefühl! An einem Augusttag 1990 machte ich mich im Sportzeug und mit einer Flasche Wasser bewaffnet, bei 36° C im Schatten auf den Weg nach Marathon, um auf der klassischen Strecke zurück ins Olympiastadion Athen zu laufen – umgeben von der Aura des Ortes, aber gleichzeitig von Autolärm und Abgasgestank.

Fast ein Jahrzehnt später – ich lief immer noch, aber nicht immer mit gleicher Intensität – wurde mir klar, dass mich nicht vordergründig interessierte, wie schnell eine Strecke laufend zu durchmessen sei, sondern wie lange ich laufend zurücklegen kann. Aus dem Langstreckler wurde der Ultraläufer.

Es folgte der erste lange Rennsteigkanten über 72 km, dann der Start beim legendären 100 km-Lauf von Biel und schließlich mein erster 24-h-Lauf im Jahre 2000 in Uden. In dieser Zeit schien mir erstmals sportlich eine Teilnahme am Spartathlon möglich. So hatte ich mich 2001 bereits qualifiziert, als ich ob meiner schlechten Vorbereitung kalte Füße bekam und kurzer Hand absagte.

Die (Läufer-) Jahre kamen und gingen, darunter rechte und schlechte. Ich war weiter auf den Ultrastrecken unterwegs, so zweimal beim Etappenlauf Wien-Budapest über 350 km. Im Hinterkopf bohrte hartnäckig der Gedanke an den Spartathlon. 2011 lief ich dann in Pilsen wieder einmal 100 km und damit war die Qualifikation, welche für zwei Jahre gilt, im Kasten. Das war gewissermaßen der Startpunkt des Projektes „Spartathlon“ – auch wenn ich noch bis zum Anfang des Jahres 2013 zögerte, ehe ich mich offiziell bewarb…