04.07.2015 - 9. Thüringen Ultra Fröttstädt - Hitzeschlacht mit Lauffeuer
Obwohl der Verdacht bei den derzeitigen Witterungsbedingungen nahe liegt - nein, der Autor hat nicht einen Strahl von Klärchen zu viel abbekommen. Vielmehr berichtet der folgende Text von einem Laufspektakel der besonderen Art.
Seit nunmehr neun Jahren richtet der Verein Lauffeuer Fröttstädt e.V. rund um den scheinbar rastlosen Gunter Rothe eine Ultralaufveranstaltung von Läufern für Läufer (natürlich gilt beides auch für das schöne Geschlecht) aus. Und das tun die fleißigen Akteure mit einer Leidenschaft für das (Ultra)Laufen, dass man hier wahrlich von einem Lauffeuer sprechen kann. So gelingt es dem Veranstalter Jahr für Jahr quasi die ganze Gemeinde rund um Fröttstädt und Hörselgau zu mobilisieren, sodass eine (Achtung!) wunderbare Veranstaltung gelingt, die familären Flair mit liebevoller und professioneller Organisation verbindet. Sie fokussiert sich dabei aber stets auf das Wesentliche: Die Läuferin und den Läufer selbst.
Dieser, ehemals noch Geheimtipp, ist den Mitglieder/innen unseres Laufvereins auch nicht entgangen. So entsenden wir fast schon jährlich eine kleine Delegation mit dem Hang für etwas Langes nach Fröttstädt zu seinem anspruchsvollen 100er. Aus Respekt oder Ehrfurcht vor dem Kurs mit seinen mehr als 2.200 Anstiegshöhenmetern in der Rennsteigregion nahe Tambach-Dietharz, nahm man bisher stets nur die Etappenwettbewerbe (4 x 25 km oder 2 x 50 km) unter die Füße. Dies sollte auch in diesem Jahr nicht anders sein, zumal die Wettervorhersage hochsommerliche Temperaturen von 36°C für den Veranstaltungstag prognostizierte.
Neben den alten Fröttstädt-Häsinnen und -hasen Ines Schwab, Christine Berger, Silvia Schmied und Frank Berger, lockte letzterer mit fast schon legendenartigen Erzählungen zur Atmophäre der Veranstaltung, erstmals auch Andreas Neubert und den Autor in den Thüringer Wald. Kurzfristig absagen musste leider Conny Kutzer, was den Start in der Mix-Wertung bei der 4 x 25 km - Kategorie bedeutete. Andreas und der Autor wagten sich an die Halbierung (die keine ist...) der 100km-Distanz. Zunächst für die 2. Etappe (45 km) eingetaktet, tauschte der Autor noch am Vorabend des Wettkampfs mit Andreas die Startreihenfolge. Dies bedeuteten zwar für ihn rund 10 km mehr, dafür jedoch die Startzeit von 5 Uhr und damit noch halbwegs erträgliche Temperaturen. Andreas ist auf Grund seiner Spartathlonerfahrungen viel Hitze erprobt und ging leicht auf diesen Tausch ein.
Unsere 4er-Staffel reiste bereits am Freitagnachmittag ins thüringische Ultralaufmekka und sicherte sich damit Schlafplätze in einem Schlafsaal. Andreas und der Autor nahmen den Weg erst am Abend auf sich. Fröttstädt empfing uns mit einem zusätzlichen Ortseingangsschild, welches eine ultrafreundliche Ortschaft versprach. Kurz darauf bogen wir ein, in eine Ferienlageridylle aus bunten Zelten, Wohnmobilen und zahlreichen Kombis mit umgeklappten Rücksitzbänken. Ja, hier musste es sein, der Ort der jährlich ca. 250 Einzelläufer/innen aus Nah und Fern und rund 50 Staffeln anzieht, um gemeinschaftlich der Ultraleidenschaft zu fröhnen. Andreas fühlte sich sofort an die Anfänge des Rennsteiglaufs erinnert, als dieser noch keine Massenlaufveranstaltung darstellte. Nach kurzem Plausch mit Frank (die Mädels lagen schon in ihren Betten), ein paar organisatorischen Erledigungen und der Körperhygiene, hauten auch wir uns im PKW aufs Ohr. Kurz vor drei Uhr wurde es dann unruhig auf dem Platz. Einzelläufer/innen krochen aus ihren Schlaflagern und begannen ihre unmittelbare Wettkampfvorbereitung. Dabei hörte man im Stimmengewirr auch den üblichen Läufersprech wie z.B. "Na, ich hab´ doch einen Fersensporn. Ich glaube nicht, dass ich die 100km ohne Schmerzen laufen kann." Jetzt mal ehrlich - wer kann das schon? Kurz vor 4 Uhr erfolgte eine lockere Wettkampfeinweisung mit allem, was man so wissen muss und kurz darauf der Start der 246 Unerschrockenen, die in die Hitzeschlacht zogen, um die 100 km mit zweimaliger Rennsteigüberquerung zu bewältigen. Sie liefen dabei auch durch ein Spallier aus brennenden Holzfackeln dem Sonnenaufgang entgegen.
Um 5 Uhr dann der Start der Staffeln. Sogleich machten sich Ines und der Autor gemeinsam auf den Weg um ihre Teiletappe zu absolvieren. Die ersten 10 km waren noch recht flach, dann ging es "etwas" mehr zur Sache und wir gewannen bis zum Etappenziel einiges an Höhe. Das tat im Übrigen auch das Quecksilber. Zeigte es anfangs noch 21°C, waren wir schnell bei über 30°C angekommen. Und da schlug die Uhr noch nicht mal 10 Uhr. Ines wechselte mit toller Laufzeit nach rund 27 km auf Christine, der Autor nahm den zweiten Teil seiner 55 km in Angriff. Ermutigende Worte von Silvia bei einer der zahllosen und hervorragend ausgestatteten Verpflegungsstellen machten ihm Mut, dass die nun vom Profil her leichtere Strecke doch zu bewältigen sei. So hangelte sich dieser von Verpflegungspunkt zu Verpflegungspunkt, goss sich unzählige Mengen an Wasser über den Kopf und sicherlich mehr als 3 Liter Wasser und Cola durch die Kehle. Nach ewigem Auf und Ab sollte es nach gut 45 km endlich auf einer schönen, als Radweg umgebauten Eisenbahntrasse mit Tunnel und Co., nur noch bergab gehen. So übergab der Autor nach 5:17h auf den bereits innerlich und äußerlich gut hydrierten Andreas, der sich für die nächsten 45 km in die Gluthitze begab. Auch Christine spulte bravurös ihre 27 km runter und zeigte damit, dass die Vorbereitung auf den Swiss Alpine Marathon (K78) stimmt und die unzähligen Trainingskilometer sich auszahlen. Ab Floh-Seligental durfte nun Frank Berger seiner Standortbestimmung über 22 km nachgehen. Die nicht-laufenden LAVler suchten sich schattige Plätze, tranken was das Zeug hielt und fuhren zum nächsten Wechsel. Dort angekommen, erreichte auch kurze Zeit später Andreas diesen Punkt, stellte sich unter die dortige Dusche und setzte seinen Hitzlauf bei nunmehr 36°C fort. Gut eine Stunde später erreichte auch Frank den Wechsel in Finsterbergen und schickte Silvia auf die Reise. Für alle anderen hieß es nochmal flinke Füße zu machen, um Andreas´ Zieleinlauf nicht zu verpassen. Dies gelang bei KM 95 auch just in time, als die Strecke unseren Fahrtweg kreuzte und uns Andreas kurzerhand die Anrufung der Muse aus Homers Odyssee in griechisch entgegenbrachte, was wir auf Grund unserer mangelnden Sprachkenntnisse natürlich erst im Nachhinein erfuhren. Das Ziel erreichte Andreas mit Augenmaß und Etappenbestzeit nach 3:59:56h und einer Gesamtzeit von 9:17:18h. Dies bedeutete tatsächlich noch Platz zwei der Männerwertung, was freilich auch an geringer Konkurrenz lag. Zum Vergleich: Der Sieger des 100km-Wettbewerbs, Martin Armenat, erreichte sein Ziel bereits nach unvorstellbaren 8:53h und mit mehr als einer Stunde Vorsprung auf den Zweitplatzierten. Mit der zweitbesten Etappenzeit kam auch Silvia anschließend im Ziel in Fröttstädt nach 10:17:13h an, was letztlich aber nur zum undankbaren 4. Platz in der Mix-Wertung reichte.
Mit fröhlichem Beisammensein, Massage, Suppe und reichlich flüssiger Nahrung genossen wir die weiteren Zieleinläufe der Staffeln und der tapferen 192 Einzelläufer/innen. Und so ging nach obligatorischem Gruppenfoto und der Siegerehrung ein toller Wettkampf zu Ende, der nach Wiederholungstaten schreit.
Ergebnisse gibt es hier: http://www.sportident.com/timing/ergebnis/ergebnis.php?wkid=20150704500629
Text: Thomas Probst / Bild: Ines Schwab, Frank Berger