31.08.2013 - Rennsteig non-stop - Der Ganze sollte es sein !
Diesen Weg auf den Höh'n bin ich oft gegangen,
Vöglein sangen Lieder...
Als Holger beim MDM am Sonntagvormittag als Guide für eine blinde Sportlerin ins Halbmarathonziel lief und Andreas Stunden später als Zugläufer über 4:15 h den Marathon beendete, hatten die beiden LAV-er an diesem Wochenende insgesamt etwa 200 Kilometer in den Beinen.
Sie waren am Freitag gegen 18.00 Uhr in Blankenstein an der Saale gestartet, um den gesamten Rennsteig bis Hörschel an der Werra (168 km, ca. 2700 Höhenmeter) in "einem Ritt" zu absolvieren – Andreas laufend und Norkapbezwinger Holger als selbstloser Radbegleiter und umsichtiger Betreuer (Dankeschön!). Organisiert hatten diesen außergewöhnlichen Laufwettbewerb einmal mehr besonders verrückt - engagierte Vertreter der rührigen Thüringer Laufszene von Lauffeuer Fröttstädt um Gunther Rothe, bekannt von der Ausrichtung des ThüringenUltras.
Etwa 110 Enthusiasten begaben sich auf den langen Kanten über den Kamm des Thüringer Waldes, oft auf schmalen Naturwegen über Stock und Stein – nach wenigen Stunden nur noch erhellt vom Licht der Stirn- und Fahrradlampen. Bisweilen fiel die Orientierung (weißes “R“ an Bäumen) schwer, was manchem Teilnehmer zusätzliche Kilometern einbrachte – aber was macht das schon aus bei einer Gesamtdistanz von mehr als 168 km! Wenigstens die Wettergötter waren den Läufern hold, es blieb bis auf leichten Sprühregen am Sonnabendnachmittag trocken und war angenehm warm.
Schritt für Schritt ging es voran – auch für erfahrene Rennsteigläufer bis Neuhaus zunächst auf unbekanntem Terrain. Die gebirgige, waldreiche Landschaft bot vielerlei Abwechslung. Einschlafen konnte man eigentlich nicht, wollte man Stürze und Verstauchungen oder allzu lange Umwege vermeiden. Auch das eine oder andere Organsystem meldete sich.
Neben den Versorgungspunkten wurden weitere Etappenziele erdacht und „step-by-step“ bewältigt, um die Gesamtdistanz mental erträglicher zu machen, so z.B. Marathon, 50 km, 72 km, 100 km… Gelegentliche Gehpassagen, insbesondere an Steilstücken und überschaubare Pausen an den Versorgungspunkten sind bei einem solchen Lauf nicht nur kaum vermeidbar, sondern Bestandteil der Renngestaltung. Etwa aller 20 km gab es Verpflegungsstände mit allem an Speis und Trank (jawohl auch Kaiserschmarrn!), was das Läuferherz begehrte. Zwischendurch musste der mitgeführte Proviant ausreichen. Diese Stationen bildeten auch wichtige „emotionale Tankstellen“, regierte hier doch die fast sprichwörtliche Rennsteiglauf-vertraute Herzlichkeit. Kurze Gespräche lockerten die Anspannung und motivierten sehr, war man doch sonst über weite Strecken ziemlich einsam.
Bisweilen war Holger nach vernehmlichem Fluchen auf radtauglichere Nebenweg ausgewichen, über kurz oder lang aber wieder zur Stelle. Des Nachts erbarmte sich in einer solchen Situation die Begleiterin eines anderen Teilnehmers und reichte dem (nur vermeintlich) Verdurstenden die eigentlich nicht für ihn bestimmte Apfelschorle. Ein anderes Mal, als sich der Drahtesel für die schikanöse Wegeführung mit einer Reifenpanne „bedankte“, wurde das zur Energiegewinnung genommen, was die Natur so bot, in diesem Falle köstliche, aber winzige Himbeeren.
Wir haben geschwiegen und gequatscht, was das Zeug hält; Lieder gesungen, den Vögeln zugehört, Fledermäuse und Spinnen beobachtet, Sterne und die Sonne gesehen - und uns auf diese Weise über so manchen Berg, manches Tal im wörtlichen wie übertragenen Sinne hinweggeholfen. Irgendwo zwischen Grenzadler (km 107) und Großem Inselsberg (km 135), den Holger mit schwerem Gepäck hinaufradelte, schien der Bann endlich gebrochen und längst verloren geglaubte Kräfte kehrten wieder. Und das, nachdem der helle Morgen eben nicht nur für Euphorie gesorgt hatte, sah man doch jetzt die durchwurzelten, mit Anstiegen gespickten Passagen überdeutlich vor sich.
An der Hohen Sonne begrüßte uns Holger Sakuth, ein Thüringer Ultraläufer, der nicht hatte starten können, nun aber mit großer Herzlichkeit den letzten Verpflegungspunkt betreute. Das war schon ein vorweggenommener Zieleinlauf. Die letzen 14 km waren gar nicht einfach, aber kurzweilig - und wir beide kannten sie schon. Ungewollt , weil wir uns im Mai beim Training für den GMRL hierher verlaufen hatten, als wir aus Richtung Eisenach kommend, an der Hohen Sonne verkehrt abgebogen und statt am Großen Inselsberg in Hörschel gelandet waren.
Dort kamen wir dann 21 Stunden und 31 Minuten nach dem Start an – ziemlich froh, das Abenteuer Rennsteig nonstop so gut überstanden zu haben. Im Ziel gab es bei aufgeräumter und familiärer Atmosphäre eigentlich nur Sieger. Dusche - Bier - Bratwürste – so lautete jetzt die Reihenfolge. Vor der Heimfahrt gab es noch etwas Dehnung, denn morgen hieß es ja: Auslaufen beim MDM.
66 Läufer schafften es bis ins Ziel, unter den Ausgestiegenen waren mit Frank Aust und Andre Niestroy leider auch die beiden anderen Hallenser, welche uns noch beim Transport des Fahrrades so toll unterstützt hatten – dankeschön!
Ein Dank geht auch an Klaus-Dieter Weißenborn, welcher uns im Vorfeld aufgrund seiner faszinierenden Streckenkenntnis und Lauferfahrung mit so manchem guten Tipp und viel Anteilnahme zur Seite stand und sich herzlich mit uns freuen konnte!
Text/ Bild: A. Neubert