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15.05.2016 – 26. Lattelecom Riga Marathon – Ein Gefühlslauf an der Daugava

Eines gleich vorweg – nein, für die nächsten Zeilen habe ich nicht, wie vielleicht die Überschrift vermuten ließe, den „Sentimentalen“ ausgepackt. Ein paar Adjektive in dieser Hinsicht mögen zwar verwendet werden, letztlich wird sich das Ganze während des Lesens (diese kulturelle Errungenschaft wird also vorausgesetzt) aber näher erschließen.

Riga, wieder mal Regen. Die Frisur sitzt…Wir (Gert und ich) landeten am vergangenen Samstag auf dem Rigaer Flughafen. Wie bereits bei den letzten beiden Hauptstadtlaufreisen, empfing uns auch die lettische Hauptstadt mit „Schmuddelwetter“ der ersten Güte. Durchaus erfahren, fanden wir mit dem äußerst preiswerten öffentlichen Nachverkehr (1,15 EUR je Fahrt) schnell in das Stadtzentrum und zu unserer Unterkunft. Dieses Mal wollten wir es in dieser Richtung ganz schön krachen lassen und buchten, in Amsterdam z.B. hätte es für diesen Preis vielleicht eine „Besenkammer“ gegeben, ein 4-Sterne-Haus in Start- bzw. Zielnähe am Rande der historischen Altstadt. Um der Wetterbesserung eine reelle Chance zu geben, nutzten wir den Nachmittag für eine ordentliche Siesta und den Versuch, deutsch-sprachige Fernsehsender dem TV zu entlocken. Letzteres vergebens. Zur vorgerückten Stunde machten wir uns wohl oder übel doch mit Regenschirm und Co. auf, die Startunterlagen zu besorgen. Zahlreiche Regenschauer und einige Umwege führten uns dann zur Marathon-Expo im Elektrum Olimpiskais centrs, wobei es von diesen Olympia-Centern mehrere in Riga zu geben scheint und wir uns auch nicht an Olympische Spiele in Riga erinnern konnten. Ohne Andrang nahmen wir unsere Startnummer mit einem herzlichen Lächeln und den Worten „Ah, Sie sind Deutsche“ entgegen. Anschließend waren ein Abendessen und frühzeitige Bettruhe angesagt, da der Start bereits um 8:30 Uhr Ortszeit (7:30 Uhr „hallescher Zeit“) erfolgen sollte.

Das Frühstück, vom Hotel bereits auf 6 Uhr vorgezogen, bot neben vielen anderen Läufer/innen aus Nah und Fern, auch eine imposante Auswahl an Speisen und Getränken, die konsequent nachgefüllt wurden. U.a. konnte man sich so tatsächlich auch Sekt zum Frühstück genehmigen. Wir durften nur einen kleinen Ausschnitt der kulinarischen Köstlichkeiten genießen, schließlich galt es, einen Marathon zu laufen. Da wir trotzdem gut aufgegessen hatten, zeigte sich auch der Wettergott gnädiger und stellte zumindest den Regen vorerst ab. Bewölkter Himmel bei 13°C und wenig Wind versprachen ein ordentliches Laufwetter. Gemütlich schlenderten wir zum Start und bemerkten alsdann, dass frühzeitiges Anmelden die besten Startplätze sichert. Denn hier entschieden nicht Laufzeiten für die Startblockeinteilung, sondern das Anmeldedatum. So landeten wir beide flux in den ersten Reihen. Nun versuchte ich meinen Garmin in Gang zu bringen. Da sämtliche Versuche scheiterten, musste ich mir nun neue Strategien überlegen, um meine angestrebte Endzeit von unter 3:45h zu erreichen. Die bereitgestellten Pacemaker konnten mir da eine gute Hilfe sein. Nur mussten diese erst einmal erkannt werden. Zunächst einmal sollte das eigene Tempogefühl der Schrittmacher sein. Gemeinsam mit den Halbmarathonis schickte man uns unter klassischen Klängen am rechten Ufer der Daugava (Düna) auf die Reise. Gleich erblickte ich einige Läufer mit roten Luftballons. Nur konnte ich nicht ausmachen, welches Tempo hier angeschlagen werden sollte. Nach kurzer Biopause nahm ich mein Tempo leicht wieder auf und versuchte an einem Wendepunkt die Pacemaker für 3:45h auszumachen. Dabei musste ich durch gedankliches Sekundenzählen feststellen, dass ich bei KM 8 nur rund 1 min hinter den Pacemakern für 3:30h lag, was nun wirklich nicht mein Plan war. Da ich mich aber recht gut fühlte, lief ich einfach mein Tempo weiter und schloss bei KM 13 gar auf diese Gruppe auf. Nun hängte ich mich faul in die Gruppe rein, genoss die unzähligen Verpflegungsstationen und viele Ausblicke entlang der Strecke. Ab KM 19 verlangsamten dann die Tempomacher merklich die Pace. Nun fragte ich mich wieder: „Weiter im selben Trott oder auch drosseln?“ Ich entschied mich für ersteres, obgleich ich dabei auch an die Kilometer jenseits der 30 dachte. „Einfach mal probieren“, war nun mein Motto. Zwischen 23 und 31 erlebte ich eine kleine Krise, da die linke Wade und vor allem die Zehen dem Krampfe nah waren. Als Geheimrezept verpflegte ich mich nunmehr an jeder Verpflegungsstelle mit Orangen, die scheinbar krampflösend wirkten. Anschließend lief es wie geschmiert. Ein drittes und viertes Mal überquerte ich die Daugava und lief kurz vor dem Ziel durch ein wunderbares Spalier einer traditionellen Volkstanzgruppe, die mich und die vielen tausend anderen Läuferinnen und Läufer mit ihrer guten Laune noch die restlichen Kilometer durch die Altstadt bis zum Ziel „trugen“. Dort bekam ich eine wirklich sehenswerte Medaille um den Hals gehängt und dies sogar früher, als die 3:30h-Tempomacher ;-)

Die restliche Zeit unseres Kurztrips wurde nach einer ordentlichen Ruhepause der Land-und-Leute-Kunde gewidmet. Ausgestattet mit Stadtplan ging es den Montagmorgen bei trockener Witterung durch die größte Stadt des Baltikums mit ihrer gut erhaltenen Altstadt (z.B. Schwarzhäupterhaus), vielen Jugendstilbauten, Kirchen und natürlich den Bremer Stadtmusikanten. Aber auch einige typische Holzhäuser sieht man noch in Stadtrandlage. Darüber hinaus schauten wir uns die  Zentralmärkte an und erlebten dabei, was Markt eigentlich auch sein kann. Ich fünf verschiedenen Hallen und vielen Ständen dazwischen, wird produktsortiert alles angeboten, was man zum Leben braucht. Hier spürt man auch die Seele der Einwohner Rigas. Was letztlich auch nicht unerwähnt bleiben darf, (Das bringt mir aber sicherlich wieder Ärger ein…) sind die vielen hübschen weiblichen Bewohnerinnen, die durchaus an Chic und Anmut mit denen südländischer Metropolen konkurrieren können. Zu den dazugehörigen „Letten-Lover“ (Der Begriff stammt von Thoralf, dem ich etwas für sein Numismatiker-Herz mitgebracht habe.) will ich mir kein Urteil erlauben. ;-)

Was bleibt es nun zu resümieren?

  • Auch ohne neumodischen Zeitmessschnickschnack kann man einen Marathon laufen.
  • Riga ist durchaus eine Reise wert.
  • Als Anlass für einen Kurztrip nach Riga kann in jedem Fall die Verbindung mit dem Riga-Marathon und seinen vielen Distanzen (6 km, 10 km, HM, MA) dienen.
  • Zur nächsten Reise geht es nach Athen…mal sehen, ob es dann wieder regnet.

Text/Bild: Thomas Probst